Andrea im Wunderland

Mein Reisebericht aus Saudi-Arabien

Praktisch alles, was ich bis vor kurzem noch über Saudi-Arabien zu wissen glaubte, ist falsch. Statt einem Land, in dem Frauen entrechtet sind, Männer mit steinzeitlichen Vorstellungen über ihre Familien herrschen und Sünder öffentlich gesteinigt werden, fand ich ein Land voller herzlicher und offener Menschen, futuristische und pulsierende Städte, atemberaubende Natur und beeindruckende Kulturstätten. Trotz meiner Überzeugung völlig vorurteilsfrei in das Land zu reisen, könnte der Kontrast zwischen Erwartung und Realität kaum größer sein.

Daher ist mein Reisebericht deutlich länger ausgefallen als geplant. Denn schreibt man über Saudi-Arabien, kann man sich nicht darauf beschränken, darüber zu berichten, was es alles zu sehen gibt. Ein paar Worte über politische und gesellschaftliche Entwicklungen, nicht nur aber insbesondere in Bezug auf Frauenrechte, sind unabdingbar, um über aktuelle Entwicklungen im Land aufzuklären. Zumal man auch als Reisender ja auch des Öfteren unmittelbar davon betroffen ist.

 

Ankunft in Riyad

Und so stieg ich Anfang Dezember in den Flieger und flog nach Riyad, der Hauptstadt des Königreiches. Die Reiseroute führte mich über Istanbul und ich war gespannt, welche Leute mich dort am Gate für den Weiterflug nach Riyad erwarteten. Werde ich die einzige allein reisende Frau ohne Kopftuch sein? Werde ich dort schon schief angeschaut oder wieder zurück nach Wien geschickt?

Das Publikum war eine bunte Mischung aus Geschäftsreisenden, Gastarbeitern und einer Handvoll Touristen. Nur zwei Frauen warteten vollverschleiert auf den Einstieg, sonst saßen die Kopftücher schon sehr locker. Keine von den offensichtlichen Touristinnen trug ein Kopftuch. Auch ich verzichtete darauf, eines zu tragen, wollte ich doch für mich herausfinden, wie die Akzeptanz der einheimischen Bevölkerung auf eine Kopftuchverweigerin war. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass ich mich sehr wohl gerne an die Gegebenheiten und Kultur des Landes anpasse und niemandem auf die Zehen treten möchte. Hier wollte ich mich allerdings für meine interessierten Kunden aufopfern.

In Riyad gelandet dauerte das komplette Einreiseprozedere keine 10 Minuten – das war aber sicher auch der vorderen Sitzreihe im Flugzeug geschuldet. Es wurden Fingerabdrücke genommen, ein Foto gemacht, das Visum kontrolliert und schon wartete ich auf mein Gepäck. Keine fragenden Blicke, alle höflich und freundlich. Bei einem Lächeln von mir gab es immer ein Lächeln zurück.

Die Fahrt zum Hotel dauerte mitten in der Nacht keine 30 Minuten. Die breiten Straßen waren von Palmen oder bunt blühenden Sträuchern gesäumt, es lag kein Müll herum und die Eingeborenen hatten scheints die Höhlen in Häuser getauscht, die aber nie höher als 3 Stockwerke waren. So ergibt Riyad bis auf den aufstrebenden Finanzdistrikt und der Durchzugsstraße mit den Wolkenkratzern ein stimmiges Bild.

Eingecheckt im stylischen Le Meridien Hotel fand ich in meinem großzügigen und noch stylischeren Zimmer eine Illy Espresso-Maschine vor, die alle Stückerl spielte. Nichts mit Tee mit Ziegenmilch und in Anbetracht der italienischen Bestückung freute ich mich auf das Frühstück am nächsten Tag. Nach diesem war mir aber ganz schnell klar, dass ich zu Hause wohl eine zweiwöchige Fastenkur einschieben werde müssen, wenn ich nicht mit einer bequem sitzenden Abaya herumlaufen möchte, weil die Knöpfe der Hose nicht mehr zugehen.

 

 

Tag 1 – Citytour in der Hauptstadt Riyad und Hi-Homes bei einer Saudi-Familie

Unsere vierköpfige Reisetruppe besteht aus drei Vollblut-Touristikern aus Deutschland, der Slowakei, mir und einer Repräsentantin des Saudischen Tourismusboard, die aus Ungarn kommt und uns Reiseprofis geladen hat. Kritische Beobachter, denen viele Fragen auf der Zunge brennen. Heute besuchen wir den Souk Alzel und den Masmak Fort, wo wir das erste Mal „richtig“ mit den Saudis in Kontakt kommen. Wir tragen lange Hosen und langärmlige Blusen, die unsere Oberschenkel zur Hälfte bedecken, eine von uns hat sich für ein kurzärmliges T-Shirt und Jeans entschieden. Unser Guide Salman kennt hier jeden Shopbesitzer, so werden wir in Abayas gewickelt, bekommen Kopftücher aufgesetzt, werden einparfümiert und immer wieder in Gespräche verwickelt. Die Einheimischen sprechen größtenteils sehr gutes Englisch, sind mit den neuesten Handys bestückt und scheuen sich auch nicht, für Fotos zu posieren.  Keine der anderen (wenigen) Touristinnen trägt ein Kopftuch, während die deutliche Mehrheit der einheimischen Frauen vollverschleiert herumläuft.

Zum Lunch fahren wir ins „Roka“, ein japanisch angehauchtes Lokal. Hier staunen wir von außen zuerst über die schmucke Aufmachung der Gegend. Etliche Cafés, Restaurants und Lounges warten auf die Besucher. Alles sehr gepflegt und unglaublich modern und zeitgemäß. Das Roka selbst ist an Extravaganz schwer zu überbieten, die offene Küche mit den Messern schwingenden Sushi-Meistern gibt die ersten Blicke preis auf das, was uns bei diesem exklusiven Brunch erwartete. Die Lokalität ist unter Expats und Touristen sichtlich beliebt, aber die Hälfte der Gäste waren Einheimische. Nach dieser ausgiebigen Schlemmerei fahren wir nach Dirriyah, der Altstadt, die zum UNESCO Weltkulturerbe zählt. Der überwiegende Teil der Besucher sind inländische Touristen, die aber nicht weniger über diesen unglaublich schönen Stadtteil staunen. Anschließend fahren wir in den King Abdullah Financial District, wo in den nächsten Jahren noch Projekte im Entstehen sind, die die westliche Welt so noch nicht gesehen hat. Aktuell sind 57 Wolkenkratzer mit überirdischen Tunneln miteinander verbunden, alles funkelt und glitzert – eine moderne Moschee strahlt eine Ruhe in dem geschäftigen Treiben aus.#

 

Zum Abendessen sind wir bei einer einheimischen Familie eingeladen. In Saudi gibt es ein Projekt, das sich „Hi Homes experience“ nennt und der Völkerverständigung dient. Wir werden von der Dame des Hauses herzlich empfangen. Ob wir hier die Gelegenheit haben, unsere Fragen zum Thema Frauen in Saudi loszuwerden?  Ihr Ehemann ist kurzfristig ausgefallen, aber als Ersatz kommt ihr Bruder Omar vorbei. Ihre ganze Familie reist gerne durch Europa und so waren auch sie gespannt, woher wir kommen und was unsere Mission ist.

Mission 1: Frau in Saudi Arabien treffen und mit ihr über ihren Alltag sprechen.

Wir nehmen also im Wohnzimmer Platz, auf einer ganz normalen Couch. Fragt ihr euch auch auf euren Reisen, wie die Einheimischen so wohnen? Uns werden Datteln von der eigenen Farm angeboten und es gibt Saudi-Kaffee. Wie wir am Markt schon gelernt haben, werden hier die Kaffeebohnen nur wenig geröstet und mit Kardamom versetzt. Hat man sich erst gedanklich von der Illy-Kaffeemaschine gelöst, schmeckt er gar nicht schlecht. Da die Familien in Saudi riesig sind, sind die Dimensionen der Saudi-Häuser auch anders als bei uns. 700 qm sind keine Seltenheit! Das Haus ist geschmackvoll eingerichtet und dekoriert, würden wir es nicht besser wissen, wären wir der Ansicht, irgendwo in Europa zu sein. Und so erzählen wir von uns Besuchern und können auch endlich Themen ansprechen, die uns und euch doch so beschäftigen.

 

Frage 1: Wie ist das so mit dem Kopftuch und dem Verschleiern?

Auch unsere Gastgeberin trägt ein sehr lose sitzendes Kopftuch und eine rote Abaya. Wie wir erfahren, wurde vor ein paar Jahren ein Gesetz erlassen, dass sich keine Frau in Saudi mehr verschleiern muss, wenn sie das nicht möchte. Was aber in sehr traditionellen Familien immer noch zu Meinungsverschiedenheiten der Familienmitglieder führt. Als Muslima trägt sie ein Kopftuch, da im Koran geschrieben steht und nur Allah und ihr Mann samt dessen Verwandten väterlicherseits sie ohne sehen sollen/dürfen/können und alleine diesen vorbehalten ist. Unser Guide erklärte uns eine andere Seite: die Männer sollen von den Schönheiten des Landes nicht abgelenkt werden und schon gar nicht ausgiebig daten.

Mittlerweile genießen wir ein opulentes, traditionelles Abendessen und wir sprechen über die unterschiedlichen Destinationen, die Saudis gerne besuchen. Es macht auf uns den Eindruck, dass es wohl nicht an Geld oder der Sprache scheitert und wir erkundigen uns, wie es mit der Bildung im Allgemeinen aussieht.

Frage 2: Schulbildung, Ausbildung, Heiraten und Frauen in Jobs

Die Saudis werden von ihrer Regierung großzügig unterstützt, wenn sie im Ausland studieren möchten (und am besten das Wissen wieder ins Königreich zurückbringen). Es gibt weltweit 300 Vertrags-Universitäten. Hat man seine Wunsch-Uni gefunden, bezahlt Vater Staat den Flug, Unterkunft, Studiengebühren, ein großzügiges Taschengeld und was noch so anfällt. Das Alter spielt dabei keine Rolle. Möchte man seine Frau und die Familie mit ins ferne Land nehmen, bekommt die Gattin ohne Wenn und Aber 70% vom „Studentengehalt“ überwiesen.

Da Dating-Apps noch nicht verbreitet sind, suchen oft die Eltern die Zukünftige für den Sprössling aus, die ihm dann so viele kleine Saudis wie möglich schenken darf. Natürlich hat der Saudi aber auch Mitspracherecht und springt der Funke nicht so über, gibt es noch einen weiteren Durchgang. Unser Guide hat 11 Brüder und 11 Schwestern, sein Vater hat zwei Frauen. Ob er auch eine zweite Frau hat fragen wir Salman. „Ich bin ja nicht wahnsinnig“ meinte er lachend. Das könne er sich nie im Leben leisten und eine Frau alleine sei ihm schon zu anstrengend. Entscheidet sich ein Mann, eine zweite, dritte oder vierte Frau zu heiraten muss die Vorgängerin dem zustimmen. Dann wird ein zweites, drittes… Haus gekauft, gleich groß wie das der anderen Frauen. Jede muss gleichbehandelt werden und die Frau achtet mit Argusaugen darüber, ob sie nicht zu kurz kommt. Dank Whats-App gibt es dann Ehefrauen Gruppen der Teammitglieder, die sich darüber austauschen, wer was bekommt und welcher noch etwas zusteht. Und WEHE, der sorgende Ehegatte vergisst kurzfristig die Gleichberechtigung.

Auch wenn Frauen seit einigen Jahren arbeiten dürfen, bevorzugen viele jedoch, sich um die Kinder und um den Haushalt zu kümmern. Entscheidet sie sich für die Arbeitswelt, bezahlt der Göttergatte Hof und Haus und seine Gattin darf mit ihrem Gehalt die vielen Shoppingcenter unsicher machen. Oder sie kauft sich ein Auto, da nun auch Frauen Autofahren dürfen.

Der Staat unterstützt Firmen bei der Ausbildung von Frauen und einen finanziellen Anreiz, diese einzustellen, gibt es natürlich auch.

 

Tag 2 – Flug nach AlUla, Besuch des Elephant Rocks und Maraya

AlUla muss man gesehen haben. Wir landen mitten im Nirgendwo und fahren rund 30 Minuten durch einen atemberaubend schönen Landstrich. Von Erosion geformte, runde, rote Felskegel und Felsen prägen eine faszinierende Landschaft. Wir besuchen ein Resort, das schöner nicht sein könnte, bevor wir uns am Pool ausgiebig bewirten lassen. Ein Insta-Sternchen posiert in einem Hauch von nichts vor den leuchtenden Felsen und wir wundern uns über diese nicht vermutete Freizügigkeit. Danach besuchen wir das Maraya, das von außen nicht mehr als ein riesengroßer Würfel mit Glasflächen ist. Innen dient es internationalen Stars aus Kunst & Musik als eine tolle Bühne für die Saudi-Fans. Zum Abschluss fotografieren wir noch den Elephant Rock, der mit Lichtern und dem umliegenden Café gut in Szene gesetzt ist.

Unser Resort für die zwei Nächte empfängt uns mit einem Meer an Lichtern, die entlang der Straße und der Böschung lose gesteckt sind. Auch hier ragen rot-braune Felsen in den Sternenhimmel und empfangen uns mit Jahrhundertealten Geschichten des reisenden Volkes, der Nabateer, die vom Oman über die Weihrauchstraße Güter bis nach Jordanien (und viel weiter) führten.

 

Das Abendessen wird in der Altstadt von AlUla serviert, wir schlendern durch die Gassen und freuen uns, dass wir westlichen Touristen nicht lästigen Händlern zum Opfer fallen. Es gibt in den kleinen Läden noch wenig Ramsch, auch ist die Auswahl an Souveniers nicht allzu groß. Alle paar Meter steht ein Mitarbeiter der Royal Commission of AlUla mit Besen und Schauferl bereit, um eventuellen Müll sogleich wegräumen zu können. Wir staunen. Wir staunen noch mehr, dass die öffentlichen Toiletten nach jedem Besucher vom Putzpersonal gereinigt werden. Das Essen bietet wieder eine unglaubliche Auswahl an allen möglichen arabischen Vorspeisen, Hauptgängen und Desserts – wie immer viel zu viel und viel zu schmackhaft.

 

Tag 3 – Besuch der UNESCO Weltkulturerbe-Stätte Hegra, Dadan & Jabal Ikmah

Dieser Tag hat es in sich. Im Visitorcenter angekommen stärken wir uns nach dem anstrengenden Frühstück mit einem Saudi-Kaffee und Datteln. Um ihrer Gastfreundschaft Ausdruck zu verleihen stehen allen Touristen in allen Besucherzentren kostenfrei Wasser, Kaffee, Tee und Snacks zur Verfügung. In Vintage-Landrovern werden wir zu den Steinmonumenten gefahren, kein Meter zu Fuß wird hier zu viel gegangen.

Hegra: In dieser Gegend findet man über 100 Gräber, die in riesige Felsen oder Felsblöcke gehauen wurden und als Gräber von Königen und deren Familien dienten. Wir schlendern um die Felsen, lauschen den Geschichten längst vergangener Zeiten und lassen uns vom handwerklichen Geschick dieses Volkes begeistern. Etliche Ausgrabungen in diesem Gebiet sind noch am Laufen, hier erwartet den kulturbegeisterten Touristen in den nächsten Jahren sicher noch Interessantes.

Dadan: Die Felsengräber dieser alten Zivilisation kann man nicht zu Fuß erkunden, da sie in eine hohe Felswand gehauen sind. Den besten Blick darauf hat man durch eines der für die Touristen aufgestellten Ferngläser.

Jabal Ikmah: Ein kurzer Spaziergang führt uns durch ein enges Tal zu einem Felsen, der mit über 500 Inschriften versehen ist. „Facebook of the Ancient“ meinte unser Guide, eine Muslima, die aber keine Lust auf Heirat verspürt.

„I´m not really interested in this“ meinte sie lachend, ist aber ein großer Fan des Kronprinz von Saudi, der mit seinen 38 jungen Jahren bereits beachtliche Reformen umgesetzt hat und in seinem Königreich Religion und Tradition zunehmend trennt. Oder es zumindest versucht, da viele der „old fashion“ Generation mit der neuen Freizügigkeit punkto Autofahren und Frauen in der Arbeit oft nicht begeistert sind.

 

Frage 3: Der aktuelle Kronprinz – Superstar und Superheld?

Man (Mann und Frau) spricht niemals auch nur ansatzweise schlecht über das Könighaus. Nie. Und wird es öffentlich auch nie in Frage stellen. Wenn man aber mit der jungen Generation an Leuten spricht (in unserem Fall unsere lokalen Guides) spürt man deutlich deren Begeisterung. Schon unter der Regentschaft seines Vaters wehte ein Wind der Veränderung. Frauen durften den Führerschein machen, was anfänglich dazu führte, dass Fahrschulen auf Monate ausgebucht waren.

Besucht man das heutige Saudi-Arabien, ist kaum vorstellbar, dass noch bis vor wenigen Jahren Frauen ohne ihren Ehemann, Vater oder Bruder nicht einmal das Haus verlassen durften. Eine weitere große Änderung war, dass Frauen jeden Job ausüben dürfen (davor durften sie lediglich als Lehrerin oder Krankenschwester/Ärztin arbeiten). Für die Saudischen Arbeitgeber war das ein absoluter Gewinn, da sich die Frauen in der Arbeitswelt beweisen wollen und arbeiten, was das Zeug hält.

Restriktionen wie Musik spielen in der Öffentlichkeit, oder das Aufhängen von Deko und Bildern an den Wänden, wurden aufgehoben und man trifft in den Städten auf gemütliche Shisha-Lounges, Cafes mit Musik und es gibt Konzerte mit internationalen Stars wie Shakira oder Bruno Mars. Und seit dem offiziellen Fallen des Kopftuches und der Abaya findet man auch Frauen im Sport. Uns hat dennoch überrascht, dass diese Freizügigkeit bei der Kleidervorschrift nicht mehr genützt wird und man relativ wenige Frauen sieht, die westlich gekleidet sind. Warum, erfahren wir noch später.

Saudi und der Tourismus

Nicht nur den Bewohnern des Königsreiches kommen die good Vibes des jungen Prinzen zugute. Das Land öffnete sich dem Tourismus, das Visum erhält man online und sowohl die An- als auch die Einreise ist nicht anders als in vielen anderen Urlaubsländern. Es werden Milliarden in den Tourismus gesteckt, überall entstehen luxuriöse Hotels und Resorts und lokale Reiseagenturen. Bisher hatten diese meist mit Pilgertourismus zu tun, und stehen nun vor einem Problem: in manchen Gegenden wie zum Beispiel in AlUla gibt es zu wenige Unterkünfte. Die, die es gibt, wissen um diese Not und spiegeln das im Preis wider. Saudi bemüht sich redlich um seine Gäste, man wird herzlich und mit offenen Armen empfangen. Saudi gibt alles, um es uns so bequem wie möglich zu machen. Das spürt man an allen Ecken und Enden und ist über die Umsetzung oft erstaunt. „Vision 2030“ wird oft erwähnt und was wir in den wenigen Tagen im Land mitbekommen haben, ist das nicht nur so daher gesagt. Es scheint, als würden die Bewohner – zumindest die junge Generation in den Städten – voll mitziehen und begeistert sein.

 

Wir besuchen die Oase Daimumah, wo uns ein junger Saudi durch die Gegend führt. Wir erfahren hier über den Anbau von Obst, Gemüse und allem voran Dattelpalmen in den Oasen. Natürlich kommen wir auch hier kulinarisch nicht zu kurz und uns fällt auf, dass wir den Gspritzten oder das kühle Bier gar nicht so vermissen. Dafür gibt es Säfte in allen Varianten. Mango, Limonen, Minze sind die Gängigsten, gespritzt mit Rosenwasser eine spitzen Kombination. Wir machen uns auf den Weg und fahren zum Sonnenuntergang zum Harraat Viewpoint, hoch über der Stadt AlUla mit atemberaubendem Blick auf die Umgebung. Auch hier wieder stimmungsvolle Loungemusik, bequeme Sitzgelegenheiten und viele einheimische Touristen, die der Ausblick wohl genauso verzaubert wie uns. Und wieder: ein Abendessen, dass sich der Tisch biegt und schön langsam wird auch die weite Hose eng.

 

Tag 4 – Flug nach Jeddah und wo steckt Ronaldo?

Auch die Fußballer finden Gefallen an Saudi – mit Geld ist hier alles und vieles vielleicht sogar recht einfach möglich. So landet die Dramaqueen des Ballsports an dem Tag, an dem wir AlUla verlassen, verzieht sich mit seiner Liebsten in ein schickes Luxusresort und wartet auf seinen Kumpel Messie, die sich hier bei einem Charity-Fußballmatch im Februar gegenseitig auf die Zehen steigen werden.

 

Jeddah – ja was soll ich dazu sagen. Vibrant City trifft es auf Englisch wohl am meisten. Verruchte Hafenstadt würden die traditionell angehauchte Bevölkerung und Anti-Fans des Prinzen dazu sagen. Kopftücher sieht man deutlich weniger, dafür werden bunte Abayas getragen. Wir finden uns in einem loungeartigen Restaurant wieder, es gibt chillige Musik, Wasserpfeifen werden von den Herren und Damen gleichermaßen geraucht und wieder viel zu viel Essen. Die Bude ist gedroschen voll, ich überschlage rund 70 Kellner und an die 300 Gäste. Alles sehr schick und exklusiv, Multikulti bei den Gästen und dem Personal gleichermaßen. Wow. Schon etwas irre. Auch das Essen.

 

 

Tag 4 – Ab an den Strand, die schwimmende Moschee und Besuch von Al Balad, Weltkulturerbe der UNESCO und „do it yourself-cooking“ mit einer Muslima.

Wir fahren durch Jeddah, dass sich rund 40 km entlang der Roten-Meer Küste zieht. Sauber, funkelnd, und gut organisiert. Im Beachclub angekommen werden zuerst mal die Kameras unserer Telefone abgeklebt – absolute Privatsphäre ist hier also garantiert. Dafür gibt es angestellte Fotografen, die dann mit dem Handy des Gastes auf Wunsch Fotos machen. Wir schmunzeln und lassen es dann auch gut sein. Das Meer ist warm, klar und türkis. Am öffentlichen Strand entkleidet sich die lokale Bevölkerung (noch) nicht, in privaten Beachclubs oder Stränden macht jeder, was er möchte.

Wir fahren zu unserer „Cooking Experience“. Die Gastgeberin hat vor rund 10 Jahren eine Firma ins Leben gerufen und bietet Arabisch- und Kochkurse an.  Sie erzählt uns, dass bei der Firmeneröffnung damals noch ihr Mann bestätigen musste, dass sie das tatsächlich sei, da es keine ID mit einem Foto gab. Frauen hatten kein Bankkonto, alles lief über ihren Mann. Vor 2 Jahren öffnete sie dann ihre Kochschule, das Bankkonto in ein paar Minuten online und die Gewerbeanmeldung war scheints deutlich einfacher, als in Österreich ein Reisebüro zu eröffnen. Und so kochen wir, was das Zeug hält, backen Mamool, eine Pilgernachspeise aus Datteln und viel zu viel Butter und sitzen alle gemeinsam traditionell am Boden und plaudern unverfänglich. Und ich sehe meine Chance!

 

Frage 4: Ob sie nicht die Freiheit vermisse, die wir westlichen Frauen genießen?

Freiheit ist ein sehr persönliches Gefühl, meint die Gastgeberin. Für sie ist Freiheit, wenn sie für Erledigungen keinen Fahrer rufen muss, sondern ins Auto steigt und losfährt. Zuviel Freiheit ist nicht gut für eine Gesellschaft. Ein Moslem hat einen klaren und strikt vorgegebenen Weg. Das Paradies – in den Himmel zu kommen. Dazu gehören die 5 Pfeiler des Islam, nachdem sie leben. Beten, fasten, Hatsch, es gibt nur einen Gott – Allah, Spenden. Es gibt keine Umwege oder Ausnahmen, keine halben Sachen. Alle Abweichungen sind nicht zuträglich für die Fahrt in den Himmel und ich bewundere diese Hingabe und frage mich zugleich, ob das ihr Ernst ist oder vielleicht doch die Angst dahintersteckt, etwas Falsches zu sagen.

 

Frage 5: Wie ist das mit dem Anziehen?

Auf Dauer ist doch so eine Abaya auch langweilig und was trägt man beim Sport? Oder machen Frauen in Saudi keinen Sport? Eine Abaya ist eigentlich ganz praktisch. Ja, denke ich mir, da hat sie Recht. Mein Hosenknopf sitzt nach einer Woche mästen eh schon eng. Bei 45 Grad im Schatten holt man sich mit einer langen Hose beim Radfahren zwar keinen Sonnenbrand, aber so richtig Spaß macht das auch nicht. Alles kein Thema mit dem Dresscode, die 25-jährige Tochter und die Köchin machen beide Triathlon und sind sogar bei den Saudi Games gestartet. Ich staune und lade beide gleich zu mir nach Österreich auf ein Trainingslager ein.

Leider macht unser Guide dem gemütlichen Zusammensitzen mit dem Blick auf seine Uhr ein jähes Ende. Wir müssen los, um uns noch die schwimmende Moschee und die Altstadt Al Balad anzuschauen. Telefonnummern fürs Trainingslager werden ausgetauscht und ich bin schon sehr gespannt, ob jemand ein Kopftuch unter dem Radhelm tragen wird. Al Balad kann man schwer beschreiben. Rund 350 und zum Teil bis 400 Jahre alte Gebäude werden hier gerade restauriert und touristentauglich gemacht. Es dämmert schon und wir spazieren durch die engen, beleuchten Gassen, staunen über die bunte Auswahl an Stoffen, Parfüms, Lebensmittel und Gegenstände des täglichen Gebrauchs. Die Händler lächeln mir zu, machen aber keine Anstalten, ihre Ware einer weißen Ungläubigen anzudrehen.

Die für viele Europäer lästige Aufdringlichkeit, die man vor allem von Märkten in anderen arabischen Ländern kennt, gibt es in Saudi-Arabien nicht einmal ansatzweise. Schade, ich war so auf Feilschen eingestellt. An der alten Moschee fängt uns dann der Imam ab, ein junger, konvertierter Brite mit langem Bart. „Genau so stell ich mir einen Terroristen vor“ sagt mein Inneres ich und warte was passiert. Schnell werden wir in eine Abaya gesteckt und in die Moschee geschoben. Der Imam macht keine halben Sachen und schon gibt’s einen Crashkurs in Sachen Koran. Unser Guide erzählt uns, dass es der Imam auf seine Touristen abgesehen hat und keine unaufgeklärt vorbeigehen lässt. Das nenne ich Einsatz, aber zumindest war es für mich sehr interessant, eine Moschee von innen zu sehen. Und auch hier gab es kostenlose „Refreshments“ wie überall.

Den krönenden Abschluss der Reise verbrachten wir – wie soll es anders sein – wieder in einem tollen Restaurant, wo wir mit unseren Guides über die kulturellen Unterschiede plauderten. Mit dem Vertreter der lokalen Agentur schmieden wir Pläne, wie man die Reisen für unsere Kunden am besten gestalten, was es im Rest des Landes noch zu sehen gibt und wann wir wieder ins Königreich zurückkommen. Für mich steht fest: sehr bald.

Mein Fazit der Reise nach Saudi-Arabien

Noch vor wenigen Jahren hatte ich Zweifel, ob man tatsächlich Touristen in das Land schicken könne, wo Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung standen, es noch öffentliche Steinigungen gab und eine Ziege mehr Rechte hatte als eine Frau. So zumindest ist es häufig immer noch in den Köpfen unserer Gesellschaft.

Erst 2019 lockerte das Land die Einreisebestimmungen für 49 Staaten, darunter Österreich, und empfängt Touristen. Vision 2030 hören wir mehrfach, die Motivation gerade unter der jungen Bevölkerung ist bemerkenswert und die Stimmung gegenüber Touristen gut.  Der junge Kronprinz Mohammed bin Salman buttert Milliarden in Tourismusprojekte im ganzen Land, schafft Arbeitsplätze, investiert in Nachhaltigkeit und lockert die ehemals strengen Regeln für sein Volk.

Natürlich benötigen eine Veränderungen Zeit und nicht jeder wird mit allen davon einverstanden sein. Aber Saudi bemüht sich, es uns Gästen so angenehm und perfekt wie eben möglich zu machen und empfängt seine Besucher mit offenen Armen und Türen. Und sie bemühen sich wirklich.

Ich für meinen Teil gebe dem Land und seinen Bewohnern eine Chance und blicke nicht auf die Vergangenheit zurück. Je mehr Touristen in das Land reisen und die vermeintlich „bessere“ Kultur mitbringen, umso mehr wird sich das Land anpassen. Es steht im Fokus einer Welt, die auf einen Fehler wartet. Und auch wenn diese vielleicht nicht immer ausbleiben werden, treibt die Königsfamilie nicht nur innenpolitisch die Liberalisierung voran, sondern bemüht sich auch zunehmend um eine friedensstiftende Rolle in der gesamten Region.

Ich bin in dieser Woche in Saudi vielen Menschen begegnet, die mich sehr herzlich empfangen haben. Die Saudis freuen sich über die Touristen und zeigen ihnen stolz die Schätze ihres Landes. Ich hatte keine Sekunde ein ungutes Gefühl oder die Befürchtung, ohne Kopftuch oder gar als Frau fehl am Platz oder nicht willkommen zu sein. Niemals. Und ich bin schon sehr gespannt, wie sich das Land nicht nur touristisch weiterentwickeln wird und was ich im Königreich noch alles erleben darf.

Also dann! Auf nach Saudi!