Die Qual des Wals

Im Oktober 2014 veröffentlichte die Wochenendbeilage der Hannoverschen Allgemeinen einen ausführlichen Artikel über die Bedrohung der Schweinswale in der Ostsee. Der Artikel entstand durch eine Zusammenarbeit von Wirtschaftsjournalist Christian Jung mit der Stralsunder Walforscherin Anja Gallus und Ursula Siebert von der Tierärztlichen Hochschule Hannover.

Der Beitrag thematisierte die Leiden von Walen durch anthropogene Einflüsse wie Lärmverschmutzung und Fischerei. Für ihre eindringliche Darstellung der Problematik und ihre fundierte wissenschaftliche Basis, aber auch die sprachlich brilliante Darstellung wurde der Artikel 2015 mit dem Wissenschafts- und Journalistenpreis Hauptsache Biologie ausgezeichnet.

Bedrohungen für den Schweinswal

Im Artikel wurden drei wesentliche Bedrohungen für die Population der Schweinswale in der Ostsee genannt.

  1. Fischerei: Die Tiere verfangen sich häufig in Stellnetzen, was oft zu ihrem Tod führt, da sie zum Atmen regelmäßig auftauchen müssen. Obwohl sogenannte „Pinger“ entwickelt wurden, um die Wale von den Netzen fernzuhalten, haben diese akustischen Warnsysteme begrenzte Wirksamkeit und können sogar neue Probleme schaffen, indem sie die Wale von ihren Nahrungsgründen vertreiben.
  2. Lärmverschmutzung: Der Lärm von Schiffspropellern, Ölbohrinseln, Offshore-Windparks und anderen menschlichen Aktivitäten stört die akustische Orientierung der Schweinswale und kann zu Hörschäden führen. Untersuchungen haben gezeigt, dass viele gestrandete Schweinswale Verletzungen im Innenohr aufweisen, was auf die Lärmbelastung zurückzuführen ist.
  3. Verschmutzung: Die Ostsee leidet unter extremen Verschmutzungen durch Müll, Industrieabwässer, Pestizide und andere Schadstoffe, die das Ökosystem und die Gesundheit der Schweinswale beeinträchtigen.

 

Schutzmaßnahmen und Forschung

Langzeitstudien wie das SAMBAH-Projekt haben wertvolle Daten zur Verteilung und Dichte der Schweinswalpopulationen gesammelt. Es wurde festgestellt, dass es zwei getrennte Populationen gibt: eine größere in der westlichen Ostsee und eine stark bedrohte kleinere in der zentralen und östlichen Ostsee. Diese Studien sind entscheidend für die Entwicklung von Schutzmaßnahmen.

Einige Wissenschaftler fordern ein generelles Verbot der Stellnetzfischerei und den Einsatz umweltschonenderer Fangtechniken. Zudem wird die Reduktion der Lärmbelastung durch zeitliche und technische Einschränkungen bei Offshore-Baustellen vorgeschlagen.

Aktuelle Maßnahmen zum Schutz der Schweinswale

Die Veröffentlichung des Artikels liegt fast zehn Jahre zurück, doch gerade in den letzten Monaten hat sich rund um den Schutz der Schweinswale in der Ostsee einiges getan.

Bei der UN-Konferenz über wandernde Tierarten (CMS COP14) im Februar 2024 wurde die Schweinswalpopulation der zentralen Ostsee in den Anhang I des Übereinkommens aufgenommen. Dies bedeutet, dass diese Population nun als vom Aussterben bedroht eingestuft wird und Notfallmaßnahmen zum Schutz ergriffen werden können.

Noch im selben Monat trat eine neue EU-Verordnung in Kraft, welche die Stellnetzfischerei in deutschen Meeresschutzgebieten für drei Monate jährlich verbietet. Dies soll den Beifang von Schweinswalen reduzieren, der eine der größten Bedrohungen für diese Tiere darstellt.